Den Kurs ändern: Selbstbestimmt aus der Anerkennungsfalle
Die Sehnsucht nach Anerkennung ist wie ein unsichtbares Band, das uns durch das Leben führt.
Besonders in den prägenden Jahren unserer Kindheit formen die ersten Bindungen unsere Vorstellung von Beziehungen: Sie beeinflussen, wie stark wir nach Anerkennung streben.
In diesem Artikel tauchen wir tiefer in die Sucht nach Anerkennung ein, die oft einen hohen Preis mit sich bringt. Doch es gibt einen Weg aus diesem Teufelskreis – einen Weg zur inneren Stärke.
Wie entsteht die Sucht nach Anerkennung?
Die Grundlagen für die Suche nach Anerkennung werden bereits in den frühen Jahren unseres Lebens gelegt.
Wohlgesonnenes Feedback und das Gefühl, sich gesehen zu fühlen und geschätzt zu werden, sind entscheidend für eine gesunde Entwicklung.
Die Qualität der ersten Bindungen in der Familie prägt, wie wir Beziehungen gestalten und wie sehr wir nach Anerkennung streben.
Diese Suche beginnt oft schon in der Kindheit, wenn das Bedürfnis nach Anerkennung nicht ausreichend erfüllt wird.
Weil die Anerkennung so wichtig ist, bleibt dem Kind nichts anderes übrig, als Strategien zu entwickeln, um sich dem anzupassen. Diese Anpassungsleistung findet unbewusst statt und ist ein schlauer Geniestreich unseres Systems, ein sehr wichtiges Bedürfnis zu erfüllen.
Klassische Anzeichen der Anerkennungssucht
Die Sucht nach Anerkennung zeigt sich im Alltag durch klassische Anzeichen von Überanpassung. Der ständige Versuch, es allen recht zu machen, führt dazu, dass eigene Bedürfnisse und Meinungen in den Hintergrund gedrängt werden. Dies kann zu einer inneren Unruhe führen, da die Aufmerksamkeit ständig nach Außen gerichtet ist.
Oft kommt die Sucht nach Anerkennung als verkleidetete Unterwerfungsreaktion daher. Das ist eine Stressreaktion, in der wir vieles von uns opfern, um die ersehnte Anerkennung zu bekommen.
Es kann von milderen “Kleinbeigebe"-Verhalten bis zur Selbstverleugnung und Selbstaufgabe gehen. Ein Verbiegen bis zur eigenen Erschöpfung ist charakteristisch für dieses Muster.
Was mir in der Praxis oft auffällt: diese Menschen haben oft keine Antwort darauf, was sie selbst wollen oder was ihnen gefällt, weil sie sich so oft auf Andere eingestellt haben.
Auf einen Blick: diese Anzeichen könnten ein Hinweis auf die Sucht nach Anerkennung sein
Verwandte Ausdrucksformen: Überkompensation als Ausweg
Es gibt verschiedene Formen der Überkompensation, bei denen Menschen versuchen, Anerkennung zu erlangen.
Dies kann sich in übermäßiger Anstrengung, dem Setzen unrealistischer Ziele oder dem Dominieren anderer manifestieren. Diese Überkompensationsmaßnahmen erhöhen das Risiko von Burnout und führen oft zu Konflikten in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Diese Verhaltensweisen sind keine Unterwerfungsstrategien, sondern eher im Kampf- und Fluchtmodus anzusiedeln.
Die Vorteile der Sucht nach Anerkennung
Auch wenn die Sucht nach Anerkennung oft als belastend empfunden wird, hat sie ihre eigenen Berechtigungen und es kann sogar etwas Schönes daraus entstehen.
Jedes dysfunktionale Muster, so auch die Anerkennungssucht, erfüllt auf seine Weise eine Schutz- und Versorgungsfunktion. Dieses Muster dient als der Kleber für die Bindung, die ein Kind, als abhängiges Wesen so dringend benötigt.
Der kindliche Anteil, der diese "Lösung" trägt und für Bindungssicherheit sorgt, meint es gut.
Daher sind die Anteile, die solche lösungsorientierten Strategien bieten, nicht "böse". Die Idee, diese einfach loswerden zu wollen, ist nachvollziehbar, führt jedoch selten zum Erfolg, da sie einen wichtigen Zweck erfüllen. Dieser Zweck kann nicht einfach so losgelöst werden, ohne von neuen Kompetenzen gestützt zu werden.
Ein weiterer Vorteil liegt in den brillanten Fähigkeiten, die sich beim Anerkennungs-Bedürftigen entwickeln können. Die Fähigkeit, blitzschnell zu erkennen, was das Gegenüber gerade braucht, wurde in der Kindheit als Mechanismus zur Wahrung der Bindungssicherheit stark trainiert.
Das Helfen und Unterstützen sollten nicht pauschal verteufelt werden. Wenn es aus reiner Freude geschieht und Spaß macht, kann dies eine wertvolle Ressource sein.
Die Fähigkeit, sich flexibel an alle Umstände anzupassen und das zu tun, was gerade gebraucht wird, kann sowohl beruflich als auch privat eine große Stärke sein.
Dieser Aspekt zeigt, dass selbst in scheinbar dysfunktionalen Mustern positive Eigenschaften und Ressourcen verborgen liegen können.
Die gute Nachricht ist: kompensatorisch wirkende innere Anteile können lernen sich zu verändern, so dass sich aus dem dysfunktionellen Muster ein ressourcenreiches Verhalten entwickeln kann.
Die Schattenseiten der Anerkennungssucht
Während die Sucht nach Anerkennung auf den Bedürfnissen des Gegenübers basiert, bleiben die eigenen Bedürfnisse oft unbeachtet.
Dieser Fokus nach Außen führt dazu, dass die interne Verbindung zu sich selbst immer schwächer wird. Eigene Fähigkeiten und Stärken bleiben unentdeckt und werden nicht angemessen gewürdigt.
Die fortwährende Anpassung der eigenen Meinung hinterlässt Spuren. Oftmals stellt sich die Frage, was man selbst eigentlich will oder meint, da die eigene Authentizität im Laufe der Zeit verloren gehen kann.
Entscheidungen zu treffen wird zur Herausforderung, da die Gewohnheit, sich anzupassen, das eigene Urteilsvermögen beeinträchtigen kann.
Das innere Nagende Gefühl, das durch die Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse entsteht, erfordert oft Strategien, um damit umzugehen.
Leider können diese Strategien ihren eigenen Preis haben
Die Sehnsucht nach Trost, menschlicher Wärme und Schutz kann in manchen Fällen auf Suchtmittel umgelenkt werden, um das innere Unbehagen zu lindern.
Es ist wichtig, sich dieser Schattenseiten bewusst zu sein und nach gesunden Bewältigungsstrategien zu suchen, um aus dem Teufelskreis der Anerkennungssucht auszubrechen.
Ein Persönlicher Einblick
Heute ermöglichen mir meine Erfahrungen, Frauen zu unterstützen, die sich beim Abnehmen die Beruhigungsstrategie "Essen" verbieten wollen. Durch die Arbeit mit verschiedenen Anteilen eröffnen sich tiefere Wege, die über das einfache Unterdrücken von Strategien hinausgehen.
Diese persönliche Reise hat mich gelehrt, dass das Finden einer gesunden Balance und die Akzeptanz unserer eigenen Bedürfnisse entscheidend sind, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken.
Das Paradox des Ja-Sagers
In unserem sozialen Gefüge begegnen wir oft Menschen, die immer bereit sind zu helfen, stets zustimmen und nie ein Nein in den Mund nehmen.
Vielleicht hast du eine Kollegin oder Freundin, die genau so agiert – wenig Reibung, hohe Beliebtheit. Solche Gefälligkeiten sind durchaus positiv, wenn sie aus vollem Herzen kommen. Doch der Preis steigt, wenn diese Zugeständnisse auf Kosten der eigenen Würde gehen.
Die permanente Selbstübergangnahme nagt am Selbstwert, dennoch kann es sein, dass wir einen Vorteil aus diesen Mustern ziehen und sie indirekt unterstützen.
Es liegt primär in der Verantwortung des "Anerkennungs-Bedürftigen", diese Muster zu verändern. Als Co-Abhängige können wir jedoch auch eine Rolle spielen, indem wir schlicht und einfach ausnutzen, dass jemand nicht nein sagen kann. Es lohnt sich, dieses Verhalten zu reflektieren und bewusst mit der Macht des eigenen Einflusses umzugehen.
Ein Blick in die Zukunft
Sind wir der Sucht nach Anerkennung ausgeliefert? Nein, durch unsere inneren Aktualisierungsfähigkeiten können wir uns auf einen neuen State upgraden. Es ist möglich, an unserer Identität zu arbeiten und von der Anerkennungsbedürftigen zur ausgeglichenen Erwachsenen zu werden.
Diese erwachsene Version kann Anerkennung genießen, ohne sie um jeden Preis zu benötigen, denn sie fühlt sich bereits ganz selbstverständlich anerkannt.
Und wie geht das jetzt?
Ja, es klingt oft wie ein gutgemeinter Ratschlag: "Gib Dir einfach selbst die Anerkennung." Doch wie geht das konkret? Und was machen wir mit den verletzten kindlichen Anteilen, die noch auf Liebe, Trost, Wärme oder eine helfende Hand warten?
Hier kommt das Konzept der "Nachnährung" aus der Psychologie ins Spiel. Wir können uns im Nachhinein das Geben, was uns damals gefehlt hat. Die verletzten kindlichen Anteile können versorgt werden, und die dazu passenden Bewältigungsstrategien werden gewürdigt und wohlwollend integriert. Dieser Prozess ermöglicht auch eine günstige Veränderung der dazugehörigen Glaubenssätze.
Manchmal sind es nicht einmal unsere eigenen Ängste, sondern übernommene Ängste und Befürchtungen unserer Lieben, die es loszulassen gilt. In solchen Fällen kann eine andere Herangehensweise erforderlich sein. Meditationen oder das Verschriftlichen von Briefen können dabei helfen, sich von diesen übernommenen Ängsten zu befreien.
Ob diese Briefe jemals abgeschickt werden, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass wir uns zu unseren wahren inneren Gefühlen bekennen und sie akzeptieren, damit sie sich wandeln können. Wenn du dich dabei nicht alleine fühlen möchtest und Unterstützung suchst, erwäge eine professionelle, traumasensible Begleitung.
Also: Was kannst Du jetzt tun?
FAZIT
Es ist nie zu spät, etwas Neues zu lernen, sich von Altem zu befreien um glücklich und frei zu werden.
Es ist nie zu spät, etwas Neues zu lernen, sich von Altem zu befreien um glücklich und frei zu werden.
Die Sucht nach Anerkennung abzulegen ist ein Prozess, der durchaus Zeit braucht, aber so lohnenswert ist.
Alte Wunden heilen, indem hungrige Sehnsüchte nach genährt werden.
Es ist der Weg zurück zur Selbstachtung, Selbstfürsorge und Selbstliebe.