Perfektionismus: Wie Du den inneren Perfektionisten loslässt
Perfektionismus – auf den ersten Blick klingt es positiv, denn wer möchte nicht Dinge so gut wie möglich machen, gut aussehen und alles chic haben?
Doch oft steht dahinter ein ungesunder Druck, immer noch mehr leisten und immer besser sein zu müssen. In der Praxis für Psychotherapie höre ich oft: "ja, aber ich kann gar nicht anders. Ich weiß selbst, dass ich das alles gar nicht schaffen kann, aber weniger ist für mich einfach keine Option."
Ich verstehe meine Patienten. Auch mir ist es oft schwer gefallen, meine "unerbittlichen Standards" zu verändern.
Besonders jetzt, in der Vorweihnachtszeit, wenn viele von uns sich ohnehin schon viel vornehmen, wird der innere Perfektionist besonders laut. Warum streben wir nach Perfektion, und wie können wir damit umgehen, ohne uns selbst aus den Augen zu verlieren? Du ahnst es sicher schon, auch dafür gibt es tiefere Gründe. Lass uns in dieses spannende Thema eintauchen.
Was ist Perfektionismus wirklich?
Perfektionismus bedeutet mehr, als einfach nur ehrgeizig, ordentlich oder sorgfältig zu sein. Es geht um den inneren Antrieb, Fehler um jeden Preis zu vermeiden und Erwartungen – die oft überhöht oder unrealistisch sind – unbedingt gerecht zu werden. Das kann nicht nur anstrengend sein, sondern führt häufig auch zu Selbstzweifeln, Stress und Überforderung.
Schematherapie gegen Perfektionismus und Stress
In meiner Praxis arbeite ich häufig mit der Schematherapie, die ich gerade bei Themen wie Perfektionismus als sehr hilfreich empfinde. Diese Methode verbindet Erkenntnisse aus der kognitiven Verhaltenstherapie mit Elementen aus der Bindungstheorie und der Gestalttherapie.
Die Schematherapie hilft uns zu verstehen, warum bestimmte Denkmuster und Verhaltensweisen – wie der Drang nach Perfektion – immer wieder auftauchen, selbst wenn sie uns schaden. Und besonders spannend: selbst wenn wir es bereits durchschaut haben und es WISSEN, es aber trotzdem nicht verändern können.
Die Schematherapie macht sichtbar, welche „Schemata“ aus früheren Erfahrungen entstanden sind und uns heute noch antreiben.
Besonders der Perfektionisten-Modus ist dabei eine wichtige Bewältigungsstrategie, die das verletzte, nicht gesehene Kind in uns schützen soll.
Der Perfektionist versucht, durch Leistung und makelloses Verhalten die Angst vor Ablehnung zu vermeiden. Gleichzeitig verdrängt er jedoch die emotionalen Bedürfnisse nach Anerkennung, Wertschätzung und Geborgenheit, die uns früher gefehlt haben. Dieses innere Spannungsfeld führt oft zu Erschöpfung und dem Gefühl, niemals genug zu sein.
Warum neigen wir zum Perfektionismus?
Ein zentraler Aspekt in der Schematherapie ist das Schema der „Unerbittlichen Standards/Überhöhten Ansprüche“. Dieses Schema kann uns dazu bringen, immer weiter zu funktionieren, ohne Rücksicht auf unsere eigenen Bedürfnisse oder Grenzen. Es äußert sich durch den Drang, perfekt zu sein, um innere Unsicherheiten zu überdecken oder die Angst vor Kritik zu vermeiden.
Wie entsteht dieses Schema?
Das Schema „Unerbittliche Standards“ entsteht häufig aus Erfahrungen in der Kindheit, in denen hohe Erwartungen an uns gestellt wurden. Vielleicht gab es nur dann Lob und Anerkennung, wenn wir besonders gut abgeschnitten haben – sei es in der Schule, im Sport oder im Verhalten. Ein liebevoller Blick für unsere Persönlichkeit unabhängig von Leistung hat vielleicht gefehlt. Diese frühen Botschaften prägen uns und führen dazu, dass wir glauben, nur durch Perfektion liebenswert zu sein.
Wie zeigt sich dieses Schema in der Weihnachtszeit?
Besonders in der Vorweihnachtszeit kann dieses Schema aufflammen. Ein makellos geschmücktes Haus, selbstgebackene Plätzchen, die ja allen so gut schmecken und Geschenke, die die Erwartungen übertreffen – der Druck, alles „richtig“ zu machen, wächst. Doch anstatt uns zu erfüllen, kann uns dieser Anspruch in einen Strudel aus Stress und Erschöpfung ziehen.
Perfektionismus loslassen: Selbstfürsorge durch Werte
Ein Schlüssel, um Perfektionismus zu durchbrechen, ist, den Perfektionisten-Modus bewusst zu erkennen und ihm mit Mitgefühl zu begegnen. Was versucht dieser Anteil in dir zu schützen? Wenn wir diesen Schutzmechanismus verstehen, können wir anfangen, unsere Bedürfnisse auf eine gesunde Weise zu erfüllen.
Hier helfen persönliche Werte als Kompass: Sie lenken den Blick weg von äußeren Erwartungen hin zu dem, was uns innerlich wirklich wichtig ist und uns dann auch erfüllt.
Hier habe ich ein paar Werte herausgesucht und beispielhaft dargestellt. Wichtig ist, dass Du Dir DEINE wichtigen Werte überlegst und schaust, ob Du sie Dir erfüllen kannst. Viele Patienten erkennen dann, dass sie im blinden Aktionismus an ihren Werten vorbei leisten und es im Eifer des Gefechts nicht bewusst mitbekommen.
Drei Schritte zu mehr Selbstfürsorge
Vielleicht sind diese Schritte für Dich hilfreich, um Dir selbst die Hand zu reichen, um den Perfektionisten in Dir zu besänftigen:
Fazit: Du bist genug
Perfektionismus ist oft eine Schutzstrategie, die uns vor Kritik und Ablehnung bewahren soll. Doch wahre Freude entsteht nicht durch Makellosigkeit, sondern durch Authentizität. Die Weihnachtszeit ist eine wunderbare Gelegenheit, dich selbst zu fragen: Was zählt für mich wirklich?
Wenn du das Gefühl hast, dass der Perfektionismus dich zu stark antreibt, lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Vielleicht möchtest du das Thema in einem Kennenlerngespräch vertiefen. Gemeinsam können wir herausfinden, wie du alte Muster durchbrichst und zu mehr Gelassenheit findest.
Quellenangabe:
Die Schematherapie-Modelle und Ansätze basieren auf „Therapie-Tools: Schematherapie“ aus dem Beltz-Verlag.